Brief an Landeshauptmann Stelzer

soll den Standort der "neuen St. Lorenzer Linde" zumindestens am "alten Platz" sichern. Warum das wichtig ist? Dies erklärt Dr. Peter Stöger in einem Plädoyer zur Erhaltung dieses Kulturdenkmales an diesem Standort für die Nachwelt.

Email an Landeshauptmann Stelzer:

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann Mag. Stelzer!

In Ihrer Funktion als Kulturlandesrat von OÖ möchte ich sie im Sinne unserer Nachkommen dringlichst darum ersuchen, sich persönlich für die Erhaltung zumindestens des Standortes der "alten Lorenzer Linde" als bislang großteils verkanntes Kulturdenkmal einzusetzen. Das als altes „Gnomon“ zu interpretierende „Teufelsloch“ in der Drachenwand berührt mit dem ersten Lichtstrahl um Maria Lichtmess bislang den alten Baum (vgl. siehe Text unten). Der Ort signalisiert seit Jahrtausenden das Wunder der unmittelbar bevorstehenden, wiederkehrenden Fruchtbarkeit des neuen Jahres.

Durch unwissentliche, unsachgemäße Handhabung droht eine weitere, unwiederbringliche Zerstörung, zunächst des alten Baumes, und jetzt durch Umpflanzung des Baumes auch des alten bedeutungsvollen Ortes. Nach Kontaktaufnahme mit den örtlichen verantwortlichen Gremien bitte ich Sie, dem bisherigen Verlauf von berufener Stelle Einhalt zu gebieten.

Hochachtungsvoll,
Dr. Peter Stöger, St.Lorenz

LH Stelzer mit Garten HG Klein

 Fotocredit: Joachim Haslinger

Die Alte Linde von St. Lorenz
Die bis vor kurzem als „Naturdenkmal“ bezeichnete alte Linde neben der Lorenzer Kirche ist am Absterben. Sie war bislang jedoch etwas ganz Besonderes. Sie vermittelte vermutlich Einblick in einen kleinen Teil unseres früheren, vorchristlichen theologischen Weltbildes, in dem die Sonne im Verlauf des Jahres eine wesentliche Rolle gespielt hat.

Sie war als gleichzeitiges „Naturdenkmal“ UND „Kulturdenkmal“ vielfach verkannt und einzigartig. Dies führt zurück in eine Zeit, aus der am Mondsee laut bisheriger lokaler Geschichtsschreibung kaum Zeugnisse existieren und über die erst im letzten Jahr eine vorwissenschaftliche Arbeit erschienen ist, in der eine in vielem ergänzende Ansicht vertreten wird (1).

In der Eisenzeit, der Zeit der Kelten um 500 v.Chr., dürfte demnach im Mondseeland der Handel mit Salz und vor allem der Eisenabbau, Verhüttung und dessen Verarbeitung um den Schafberg zu einem beträchtlichen Reichtum geführt haben, von dem heute ausser dem Namen „Eisenau“ nur noch sehr wenig erhalten ist. Das schon zur Klostergründung bekannte eisenverarbeitende letzte historische Sensenwerk im Helenental wurde aufgelassen. Es ist anzunehmen, dass sich in einem derart hoch entwickelten, hochtechnologischen Lebensraum „Mondseeland“ bereits damals Glaubensvorstellungen und religiöse Festaktivitäten im Jahreskreis ausgebildet und verbreitet haben, die vermutlich in vielem die Grundlage dafür bildeten, was wir heute noch im regionaltypischen Brauchtum sowie im Christentum, speziell in unserer römisch-katholischen Kirche weiter pflegen.

Die letzten verbliebenen Koordinaten der alten Vorstellungen werden jedoch in letzter Zeit entweder im völligen Unwissen oder möglicherweise von einzelnen in Absicht systematisch entfernt. Dazu mag auch das „Lindensterben“ in unmittelbarer Umgebung von Kirchen gehören. Für Jahrhunderte gab es eine friedliche Koexistenz unserer ehemals „neugebauten“ christlichen Kirchen und der „alten heiligen“ Linden. Erst in heutiger Zeit mag es der Zufall mit sich bringen, dass viele der kirchenassoziierten Linden einer künstlichen Erstickungskrankheit weichen sollen. Die Kirchenlinden von Seekirchen und Faistenau wurden von diesem Erstickungstod zunächst erfolgreich durch eine wache Bevölkerung gerettet.

Das aktuellste Beispiel der „induzierten Lindenkrankheit“ ist die nun im Absterben befindliche hunderte Jahre alte Lorenzer Linde neben der Kirche in St.Lorenz am Mondsee. Bei dem Bau des Vereinsheims der Gemeinde Sankt Lorenz vor Jahren wurde wider besseren Wissens und entgegen einem eigens dafür privat in Auftrag gegebenen Gutachten der gesamte Aushub und mehr zur Planierung der lebensnotwendigen Luftwurzeln der alten Linde verwendet. Als man daraufhin bemerkte, dass die Linde wirklich erkrankt, wurden die verursachenden, den Baum erstickenden Umstände zu wenig beachtet, der Baum stattdessen „an Armen und Beinen amputiert“, es wurden ihr die großen Äste zu Stümpfen reduziert.

Die Schädigung erfolgte somit wider besseren Wissens, die Diagnose wurde unzureichend gestellt, die Therapie erfolgte nicht primär an den Wurzeln der Verursachung. Die ernannten Spezialisten handelten wissend oder nichtwissend wie im Sinne eines Beseitigungsversuchs des alten Baumes von der ihm angestammten Stelle. Die Aberkennung des Status „Naturdenkmal“ ist in Anbetracht der Bedeutung des Baumes und seines Schädigungsverlaufes nicht nachvollziehbar.

Wird man die Linde gefällt und, wie beabsichtigt, an einer anderen Stelle eine Neupflanzung vorgenommen haben, so wird auch die anzunehmende ehemalige Sinngebung der „Lorenzer Linde“ in Vergessenheit geraten. Es ist doch der Platz dieser alten Linde ein ganz spezieller, von unseren Vorfahren vermutlich einst mit viel Bedacht gewählter Ort. Die Kraft der nach der Wintersonnwende „neugeborenen“ Sonne nahm zunächst sehr langsam zu. Fast zwei Monate verbarg sich der neue „Sonnenkönig“, wie unsere Alten ihn genannt haben mögen, in St.Lorenz noch hinter der Drachenwand. Erst in der Zeit Anfang Februar begann er, wieder schneller an Höhe und Kraft zu gewinnen, der Schatten der Drachenwand begann endlich dahinzuschmelzen.
LindeStLorenz1

Man wartete in St.Lorenz schon damals voller Sehnsucht auf das erste Wiedererscheinen des Lichtes. Um „Maria Lichtmess“, welches unter diesem Namen vor 2500 Jahren noch gar nicht existieren konnte, wurde dennoch vermutlich bereits der Stand des Lichtes dort „gemessen“. Wenn der erste Sonnenstrahl durch das Loch in der Drachenwand in den dunklen Schattensee am Boden drang, streifte er jenen Ort, an dem unsere alte Linde heute noch steht (2). Dann dauerte es noch zwei volle Monde, bis der Baum wieder um den 1. Mai ergrünte und man heute noch den „Maibaum“ setzt. Der fruchtbare Teil des Jahres stand unmittelbar bevor. Jene die Männlichkeit symbolisierende Kraft des Sonnenlichtes traf zu diesem Zeitpunkt auf jenen die Weiblichkeit symbolisierenden Baum.

DrachenwandStLorenz

Der aktuelle Platz der Linde in St.Lorenz war somit seit altersher durch den Verlauf des ersten Lichtstrahles im Jahr durch das „Teufelsloch“ genannte Felsloch in der Drachenwand hinunter auf die noch schattige Wintererde vorgezeichnet. Es ist deshalb anzunehmen, daß die alte Linde als eine stumme Zeugin einer lange von uns verteufelten Zeit zu sehen ist, von der keine schriftlichen Aufzeichnungen erhalten sind.

Laut Interpretation des verstorbenen Dechant Haas aus Thalgau ist der Begriff „Teu-fel“ auf die ehemalige Verehrung der Kelten von BEL(enus), dem ehemaligen Gott des Lichtes und der Sonne
zurückzuführen (1). Eine Deutung, die besonders im Zusammenhang des Teufelsloches, seines Lichtstrahles um Lichtmess und der nahenden Erlösung der alten Lorenzer Linde aus dem Winterschatten Sinn ergibt.

Wird man nun nach all dem Erstickungsfrevel des Lorenzer „Naturdenkmales“ tatsächlich eine neue Linde wieder setzen müssen, wäre wenigstens die Erhaltung des jetzigen „Kulturdenkmales“ unbedingt einzumahnen. Dies bedeutet, eine „neue Lorenzer Linde“ genau an jenem selbigen, alten, denkwürdigen Platz zu pflanzen, dem seit jeher eine tiefe Dankbarkeit, Freude und Hoffnung auf ein fruchtbares neues Jahr zuteil wurde.

Es sollte uns als Pflicht erscheinen, wenigstens dieses „Kulturdenkmal“ für unsere Nachwelt an Ort und Stelle zu bewahren und damit gleichzeitig ein werdendes neues „Naturdenkmal“ nach der unserer Zerstörung des Alten dort zu setzen.

Literatur:
(1) Stöger Laura Antonia (2018): Mondseeland-Keltenland? Eine Spurensuche. Vorwissenschaftliche Arbeit
https://permalink.obvsg.at/AC15277572
(2) Spilka, F. (1987): Das Drachenloch bei St. Lorenz, eine alte Sonnenwarte? In: Rätsel der Heimat. Zeitschrift für Heimatforschung. 46. Fo1ge.

Veröffentlicht am 15.10.2019