Die „Sphinx vom Mondsee“ und die „alte Linde von St.Lorenz“

Die „Sphinx vom Mondsee“ und die „alte Linde von St.Lorenz“

– letzte Zeugen der Frühgeschichte unserer Heimat. Der ägyptischen grossen Sphinx von Gizeh wurde aus religiöser Zerstörungswut 1378 n.Chr. unter Muhammad Şā’im ad-Dahr die Nase abgeschlagen (1). Dennoch wird diese Sphinx heute als Welterbe betrachtet und dient mit Cheops- und Chephren-Pyramidenhintergrund als ein Wunder der Menschheit.

Unsere weit kleinere „Sphinx vom Mondsee“ mit dem Schafberg und der Drachenwand im Hintergrund war sogar einer noch gründlicheren Zerstörungswut ausgesetzt. Sie wurde dabei völlig unkenntlich gemacht. Nicht nur die Nase, sondern die gesamte mittlere Gesichtspartie wurden damals abgetragen. In der Folge geriet die „Mondseer Sphinx“ in vollkommene Vergessenheit. Sie ist uns heute noch unter ihrer christianisierten Bezeichnung „Kreuzstein“ bekannt.

spinx mondsee1


Wie in der vorwissenschaftlichen Arbeit „Mondseeland-Keltenland? Eine Spurensuche“ beschrieben (2), kann man die Zerstörungsspuren an dem an „die Sphinx“ mahnenden Kreuzstein im Uferbereich des Mondsees am Fusse des Schafberges bei genauer Betrachtung noch heute beobachten. Bei entsprechendem Lichteinfall sind die regelmäßigen Perforationsfurchen sichtbar, die zur Unkenntlichmachung der Felsstatue im See einst nötig waren. Dabei beweist die verbliebene Ausarbeitung der rechten Augenhöhle des anmutigen Frauengesichtes aus der Nähe die ehemalige Kunstfertigkeit unserer frühen Vorfahren. Die Entstehungszeit muss weit vor die Klostergründung in Mondsee noch in den Zeitabschnitt vor Ankunft der Römer zurückreichen.

spinx mondsee

Das deshalb als prähistorisch einzuschätzende bildhauerische Werk – wie in Ägypten aus einem einzigen Kalkfelsblock gearbeitet und mit Ohren und Körper, die ebenfalls an einen Löwen mahnen - führt genauso wie die gefällte „Alte Linde von St.Lorenz“ thematisch in unsere vorchristlichen theologischen Vorstellungswelten zurück. Das weiblich anmutende Sphinxgesicht vom Mondsee ist als Bestandteil einer früheren Anbetung einer weiblichen Gottheit im Mondseeland zwischen der Zeit der Pfahlbauten bis in die Jahrhunderte unserer keltischen Vorfahren reichend zu interpretieren.

GoogleEarthLinde

 

Wie erwähnt (3), zählte zu der vermutlichen früheren Verehrung der Weiblichkeit bei uns auch der Ort der „Alten Linde“ von St. Lorenz (vgl. GoogleEarth anno 2000, DORIS.at ca.2017)

Das vor Weihnachten inzwischen beseitigte ehemalige Lindenbaum-Naturdenkmal, sein angestammter Pflanzungsort, der diesen Ort treffende Lichtstrahl durch das Teufelsloch der Drachenwand nach Lichtmess sowie der dem „Drachen“ entlehnte Name des schattenwerfenden Berges stellten ebenfalls ein bislang weltweit einzigartiges Beispiel einer vorchristlichen theologischen Sichtweise nördlich der Alpen „in realiter“ da. Der spezielle Ort verewigte zudem die Sonnenaufgänge und Sonnenuntergänge zu den ehemals kalenderprägenden Sonnwenden und Tag-/Nachtgleichen anhand der heute noch daraus ableitbaren Benennung der wichtigsten umliegenden Bergspitzen. Aufgrund unseres früheren Traditionsbewusstseins blieben – im Gegensatz zu anderen Gegenden - bis heute die Namen unserer Berge aus dieser Zeit weitgehend erhalten. Das Jahr konnte mit diesem Kalendarium am Standort unserer „Alten Lorenzer Linde“ in 4 zeitgleiche Teile aufgeteilt werden, entsprechend einem Rad mit 4 Speichen in Form eines Kreuzes, welches sich immerfort im Kreise drehte und erneuerte. Nicht umsonst gab es bereits zur Zeit der Römer eine zuführende Strasse, die dort geendet hat. Eine Linde dürfte in dieser Zeit schon gestanden haben, da unsere „Alte Linde“ aufgrund des Wuchsbildes vermutlich eine Wurzelsproßnachfahrin einer bis zu 1000 Jahre alt gewordenen Vorfahrin war, deren Herkunft möglicherweise auf selbigem Phänomen beruhte. Auch unsere Linde begann nach ihren Verletzungen bereits mit diesem Überlebensspross- und Vermehrungsversuch über sich später vereinigende, zusammenwachsende Aussprossungen, der sogenannten Wurzelbrut (4).

alte linde stlorez

 

Dies alles hätte laut UNESCO-Kriterien der Einreichung zur Anerkennung als Weltkulturerbe leicht genügt. Die lokal verantwortlichen Personen sowie Landeshauptmann Mag. Stelzer als gleichzeitiger Kulturlandesrat wurden von der nun drohenden endgültigen Beseitigung des Kulturdenkmales „Linde“ durch die geplante Umpflanzung informiert (3). Allerdings beginnt die Zeit leider erst sehr langsam reif zu werden dafür, dass auch unsere kulturbestimmenden Persönlichkeiten sich offen dieser unwiederbringlichen Werte bekennen, ihrer überhaupt bewusst werden oder sich wenigstens dafür interessieren. Noch
besteht keinerlei Neigung zur Thematisierung oder gar Erhaltung dieser so gering scheinenden und doch unvergleichlichen Kulturschätze in unserem eigenen Land. Ganz im Gegenteil, es scheint noch immer eine
Tendenz hin zur stillen Beseitigung von als „heidnisch“ geltendem zu bestehen.

Und so stellt sich die Frage, wem eine solche heutzutage stattfindende Beseitigung wider besseren Wissens überhaupt noch dienen möge? Der umfragegemäß 75% igen Befürwortung zur Neupflanzung und Erhalt des Kulturdenkmales am selben Ort zum Trotz soll die „Neue Linde“ nach mutwilliger langsamer Erstickung der „Alten“ samt jetzigem Todesstoß an einer anderen Stelle neu gesetzt werden. Und damit wird das Kulturdenkmal „Alte Linde“ von St. Lorenz endgültig zerstört sein. Die gesamte Entscheidungsgewalt über das zukünftige Schicksal dieses ehemaligen Schatzes mittels neuem Pflanzungsort nun in die Hände einer einzelnen, grundbesitzenden Familie zu legen, ohne zumindest eine offene, übergeordnete Meinung und Hilfestellung seitens Kultur, Kirche und lokaler Politik zu vernehmen, erscheint in Anbetracht der Bedeutung des uralten und kulturell einzigartigen Platzes irritierend, missbrauchsgefährdet bis geradezu scheinheilig.

Unsere tief verwurzelten und, noch die alte Tradition pflegenden Bauern vertraten bisweilen die Ansicht : „Es wird schon einen Grund gegeben haben, daß der alte Baum dort stand“ und setzten, wenn möglich, an selbiger Stelle eine neue Linde nach. Wie wir sehen, gab es vermutlich nicht einen, sondern sehr viele Gründe für den angestammten Platz. Möge deshalb wenigstens diese alte bäuerliche, auf wahrer Tradition beruhende Weisheit auch wieder in St. Lorenz gelten dürfen, wo diesem Wissen doch oft genug „von oben“ entgegnet wurde mit dem resignierenden Resultat „das ist halt so, das war immer so“...

Lassen wir uns nicht die letzten von unseren Ahnen geschaffenen Zeugen der Frühgeschichte in unserer eigenen Heimat auch heute noch beseitigen! Begegnen wir ihnen endlich mit gebührenden Respekt,
Dankbarkeit und Stolz!

Dr. Peter Stöger, St. Lorenz
Text / -inhalt und Photographien:
Copyright Peter Stöger, Laura Stöger, Walter Giesinger

Literatur / Quellenverweise:
(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Große_Sphinx_von_Gizeh
(2) Stöger Laura Antonia (2018): Mondseeland-Keltenland? Eine Spurensuche. Vorwissenschaftliche Arbeit
https://ubsearch.sbg.ac.at/primoexplore/search?query=any,contains,laura%20stöger&tab=default_tab&search_scope=USB_local_data&vid=USB&lang=de_DE&offset=0
(3) https://www.ml24.at/interessantes/brief-anlandeshauptmann-stelzer-10423
(4) https://de.wikipedia.org/wiki/Wurzelbrut

 

Veröffentlicht am 18.01.2020