

Die Stunde Null
Vor 75 Jahren kamen der junge Lehrer Franz Blaichinger und seine deutsche Gattin Sophie ins Mondseeland.
ATTERSEE/ZELL AM MOOS. Abtsdorf (Gemeinde Attersee) im Jahr 1938. Am Schmollerhof lebt der 23jährige Lehrer Franz Blaichinger als Bauernsohn, der gerade das Bischöfliche Lehrerseminar in Linz mit Erfolg absolviert hat. Der junge Mann wartet auf seine erste Anstellung als Lehrer, und bis es so weit ist, engagiert er sich ehrenamtlich für eine Jugendorganisation der Vaterländischen Front. Eines Abends klopft es an der Tür. Es sind vier, fünf kleine örtliche Funktionäre jener NSDAP. „Kassabuch, Mitgliederliste!“, herrscht der Anführer den jungen Lehrer an. „Kassabuch habe ich keines und auch keine Mitgliederliste bei den wenigen Buben“, sagt der junge Franz Blaichinger, der von den Nazis misstrauisch beäugt wird.
Versetzung nach Ostpreußen
Hatte er seine erste Anstellung im Mai 1938 noch an der Volksschule Ampflwang, so erreicht ihn im Sommer 1938 die Versetzung nach Osterode in Ostpreußen (heute Ostruda, Polen). Von dort wird er 1939 zur Deutschen Wehrmacht eingezogen, lernt aber noch vor Kriegsausbruch seine spätere Frau Sophie im westfälischen Brenken kennen. Nach dem Krieg kommt der mehrfach erkrankte und verwundete Lehrer, der als Funker bei einer Infanterie-Division gedient hatte, zurück nach Brenken. Er heiratet Sophie Duddenhausen und will mit ihr zurück in seine alte Heimat.
Die persönliche „Stunde null“
Mit dem Zug fährt das frisch vermählte Ehepaar über Dortmund und München Richtung Attersee. Zwei Koffer haben sie bei sich. In einem befinden sich ein paar Kleidungsstücke und persönliche Dinge. Im zweiten Koffer ist Geschirr, welches Sophie als Aussteuer von ihrer Mutter bekommen hat. Und in München erleben die beiden ihre persönliche „Stunde null“. Als sie am Bahnhof in München die beiden Koffer in einen Keller sperren und nach einem kurzen Spaziergang wieder zurückkehren, merken sie, dass der Keller aufgebrochen und die beiden Koffer gestohlen wurden. Nur mit dem, was sie am Leib trugen, fuhr das junge Ehepaar dann an den Attersee und kam in weiterer Folge nach Zell am Moos, um von dort weg ihr Leben nach dem Krieg von null an aufzubauen.
Franz Blaichinger verstarb 2004, nach dem er 34 Jahre Leiter der Volksschule Zell am Moos gewesen war, seine Gattin Sophie folgte ihm im Jahr 2016.
Norbert Blaichinger