Energiewende funktioniert!

Energiewende in Fuchstal: Eine Erfolgsgeschichte
Die Gemeinde Fuchstal im bayrischen Allgäu demonstriert eindrucksvoll, wie eine erfolgreiche Energiewende auf kommunaler Ebene umgesetzt werden kann.Energievisionsmitglieder mit Paul Grundler in der Mitte

Sechs Mitglieder des Vereinsvorstandes (Verein Energievision Attergau Mondseeland), darunter zwei Bürgermeister aus dem Attergau, reisten über 250 km, um die innovativen Projekte in Fuchstal aus erster Hand zu erleben.

Empfang und Einführung im Rathaus
Unser erster Halt war das Rathaus, wo uns Bürgermeister Erwin Karg (59, Freie Wählergemeinschaft) herzlich empfing. Die Gemeinde liegt etwa 80 km westlich von München und hat relativ wenige Betriebe, was später als ein Grund für den Erfindungsreichtum in Sachen erneuerbare Energien herausgestellt wurde.

Der charismatische Bürgermeister gab uns einen Überblick über die verschiedenen Energieinitiativen der Gemeinde und betonte, dass der primäre Antrieb nicht nur ökologischer Natur sei, sondern vor allem die Unabhängigkeit, langfristige Einnahmen und die lokale Wertschöpfung im Vordergrund stünden. Alle Investitionen zusammen bringen mittlerweile rund fünf Millionen Euro lokale Wertschöpfung pro Jahr.

Kernelemente der Energiewende
Zu den Kernelementen der Fuchstaler Energiewende zählen ein 13 Kilometer langes Nahwärmenetz, das hauptsächlich von der Abwärme einer örtlichen Biogasanlage gespeist wird, ein Windpark mit sieben Windrädern, großflächige Photovoltaikanlagen sowie große Strom- und Wärmespeicher.

Besichtigung der Biogasanlage
Unser nächster Stopp war die Biogasanlage des Unternehmers Werner Ruf (Firma Biogas Gröber Ruf). Seit 2009 produziert die Anlage (welche Ruf zusammen mit seinem Partner Roland Gröber betreibt) neben Strom auch Wärme aus Biogas und Hackgut, womit ca. 450 Gebäude der Gemeinde versorgt werden. Das Nahwärmenetz gehört der Gemeinde, während die Wärme von der privaten Firma zu einem moderaten Preis von aktuelle 9,4 cent pro kWh Wärme verkauft wird.
Ruf ergänzte seine Anlage um einen 500 kWh-Stromspeicher und eine 1 MWp Photovoltaikanlage auf den Dächern seines Unternehmens, um Spitzen im eigenen Energieverbrauch abzufedern.

Fakten zur Biogasanlage und zum Nahwärmenetz:

  • 6 Mio kWh Wärme, davon 4 Mio kWh aus Biogas + 2 Mio kWh aus Hackgut
  • Verwertet ca. 50/50 Mais und Wiesengras von einer Gesamtfläche von ca. 300 ha,
  • gesamtes Material aus max. ca. 4 km Radius Umgebung, Material eher leicht zu bekommen
  • 500 kWh Batteriespeicher
  • 1 MW PV, 1 MW Hackschnitzelheizung
  • 15.700 m³ Biogassubstrat, 11.000 m³ Gülle geht als wertvoller Dünger an Biomasse-Lieferanten zurück
  • 2021 Wärmenetzerweiterung auf 450 Anschlüsse, Abschreibung über 15 Jahre
  • Investition: Ca. 4,5 Mio. Euro

Photovoltaik-Anlagen der Gemeinde
Weiter ging es zu den Photovoltaik-Freiflächenanlagen der Gemeinde, die seit 2011 kontinuierlich auf Deponieböden und landwirtschaftlichen Flächen errichtet wurden. Heute verfügt Fuchstal über PV-Module mit einer Gesamtleistung von 2,5 MWp (2 MWp auf Freiflächen, 500 kWp auf gemeindeeigenen Gebäuden), die jährlich etwa 2,5 Mio. kWh Ökostrom erzeugen.

Fakten zur Photovoltaik

  • 2011 erste PV-Freiflächenanlage mit 450 kW,
  • 2019 zweite mit 750 kW und 2021 die dritte mit ebenfalls 750 kW, ca. 2.000.000 kWh Jahres-Produktion
  • 500 kWp gemeindeeigenen Gebäuden
  • Investition: ca. 3,5 Mio. Euro

Windrad Burgerwindkraft FuchstalBürgerwindkraft Fuchstal
Während des vorzüglichen und reichlichen Mittagessens sahen wir unseren nächsten Programmpunkt: die Bürgerwindkraft Fuchstal. Hier wurde bewusst privaten Menschen und Firmen die Möglichkeit gegeben, sich finanziell am Windpark zu beteiligen. So hält die Gemeinde 50 % der Anteile, die anderen 50 % halten private Investoren. Zuvor stimmten die Einwohner mit 52,7 % knapp für den Windpark.

Fakten zum Windpark

  • Bürgerentscheid 2014 mit 52,7 % pro Windräder
  • Start 2016 mit 4 Enercon-Rädern, Jahresproduktion ca. 24 Mio. kWh Strom, Bürgerbeteiligung 50 %, 50 % Gemeinde,
  • 115 Gesellschafter mit mindestens 5.000 € Mindestbeteiligung in GmbH & Co KG, attraktive Verzinsung
  • 2024 drei neue Räder à 5,5 MW, Ertrag ca. 8 Mio. kWh pro Rad, 250 Gesellschafter, 50/50 Gemeinde/Bürger
  • Investition für Gemeinde: ca. 6,4 Mio. Euro

Der Besuch des Strom- und Wärmespeichers markierte den krönenden Abschluss unserer eindrucksvollen Tour. Hier, im Jahr 2022 errichtet, beeindruckten ein 5.200 m³ großer Pufferspeicher sowie ein Stromspeicher mit einer Kapazität von 3,2 MWh – wahrhaft gigantische Ausmaße!

Bürgermeister Karg erläuterte detailliert die Umwandlung von Überschuss-Strom in Wärme. Die Zwischenspeicherung dieser Energie, größtenteils aus dem Windpark stammend und in Zeiten geringer Nachfrage nicht direkt veräußerbar, ermöglichte die sinnvolle Pufferung zusätzlicher 500.000 kWh. Diese kann bei Bedarf entweder in das Wärme- oder Stromnetz eingespeist werden.

Fakten zum Strom- und Wärmespeicher

  • Stromspeicher mit 3,2 MWh Kapazität (ca. 65 durchschnittliche E-Autos), Baujahr 2021
  • Wärmepufferspeicher gesamt 5.200 m³
  • Anlage zentral zwischen Windrädern, PV, Biogas und Gemeindegebäuden

Aufgrund der relativ schwachen Wirtschaftskraft von Fuchstal und der Findigkeit des Bürgermeisters sowie seiner Mitstreiter konnte die Gemeinde verhältnismäßig hohe Förderungen erhalten. Beim Strom- und Wärmespeicher beliefen sie sich sogar auf 75 %!

Heimreise
Nach einem äußerst inspirierenden Tag voller Eindrücke und Zahlen im Gedächtnis (und auf dem Notizblock) traten wir die Heimreise an. Wir alle sind begeistert von den vielfältigen und mutigen Initiativen dieser kleinen Gemeinde, die nun die Früchte langjähriger Investitionen ernten kann. In diesem Jahr sollen 75 Millionen kWh Strom erzeugt werden, was eine lokale und unmittelbare Wertschöpfung von über 5 Millionen Euro bedeutet. Im Vergleich dazu liegt der aktuelle Verbrauch der Gemeinde bei nur etwa einem Drittel davon, etwa 24 Millionen kWh. Dies bedeutet für das Gemeindebudget in diesem Jahr einen Zugang von rund einer Million Euro und nächstes Jahr sogar 1,5 Millionen Euro.

Zwischenstopp im Energiewald
Auf dem Rückweg machten wir einen kurzen Zwischenstopp am malerischen Wörthsee im Energiewald. Reinhard Sperr, Vorstandsmitglied von Energievision, hatte vor mehr als 15 Jahren die ersten Pappel-Stecklinge an den Grundlerhof geliefert, wo mittlerweile 5 Hektar Energiewaldflächen entstanden sind. Paul Grundler, bekannt als „Energie-Bauer“, erläuterte uns anschaulich das Ernteintervall, den Wachstumsfortschritt und die Verwendung der Energieholzbestände, die größtenteils für das hofeigene Nahwärmenetz genutzt werden.

Fakten zum Grundlerhof:

  • 5 Hektar Energiewald, zusätzlich 20 Hektar Wald
  • Ernteintervall: 5-7 Jahre, danach erfolgt der Wiederaustrieb
  • Nutzungsdauer: ca. 25 Jahre
  • Pflegeaufwand nur im Pflanzjahr, danach minimal
  • Ernteaufwand: etwa 1.800 Euro pro Hektar
Zum Abschluss verwöhnte uns Paul Grundler mit Kaffee und Zimtschnecken in seiner modernen Gemeinschaftsküche, die Teil eines innovativen Vermietungskonzepts ist und ein weiteres Standbein seines vielseitigen landwirtschaftlichen Betriebs darstellt. Nach diesem gelungenen Ausflug (ein besonderer Dank an Obmann-Stv. Martin Emeder für die Organisation und Christian Schachl für das sichere Fahren!) konnten wir rechtzeitig die Live-Übertragung der Fußball-EM-Partie gegen die Türkei im Fernsehen verfolgen...

Reinhard Sperr, Vorstandsmitglied von Energievision

Veröffentlicht am 15.07.2024