Die alte „Dorferwirtin“ vom Irrsee erzählt

Maria Habring, geb. Nussbaumer, ist die Seniorwirtin des heutigen Wellnesshotels „Dorferwirt“ am Irrsee. Die 85jährige zieht es noch heute in die Küche zum Mithelfen, obwohl ihre Beine schon müde geworden sind.

Im November 1957 hatte Maria den „Dorfer Franz“ Franz Habring geheiratet. Dieser betreute mit seinen Eltern 21 Hektar Landwirtschaft (elf Stück Vieh, ein Pferd, Schweine und Hühner) und das Gasthaus „Dorferwirt“. Mit ihm zusammen wollte die vom Knoblechner-Bauern stammende Maria etwas aufbauen. Deshalb begann man bereits 1958, zu den bestehenden fünf Gästezimmern 15 Zimmer dazu zu bauen. Doch wo Wille und Einsatz gezeigt werden, ist auch der Neid nicht weit. Die damals knapp 21jährige weiß davon ein Lied zu singen. „Ich fuhr mit dem Boot über den Irrsee, um dann mit dem Radlbock in Zell am Moos einkaufen zu gehen. Da hat mich ein Mann angesprochen und gefragt, was wir da Blödes bauen. So etwas Dummes könne ja nur einem Bauern einfallen, hat ein anderer gesagt.“ Sie habe „Rotz und Wasser“ geweint, sagt die Seniorwirtin im OÖN-Gespräch, und habe trotzdem heimlich den Entschluss gefasst: „Ich werde es allen zeigen.“

Ein Haus der Geselligkeit
Der Dorferwirt entwickelte sich sehr rasch zu einem beliebten Treffpunkt für Stammtischfreunde, Fischer, Kartenspieler und sonstige Leute, die Geselligkeit suchten. Insbesondere die „Oberseer“ liebten ihr Gasthaus. Oberseer nannte man die südlich eines Gesteinsrückens quer durch den See wohnhafte Bevölkerung, die nördlich davon lebenden nannte man „Unterseer“. „Mehr als ein Dutzend Halbe waren keine Seltenheit, wenn es einmal gemütlich wurde“, erinnert sich Maria, und auch die eine oder andere Watschen an aufdringliche Gäste ist überliefert, ausgeteilt von der Wirtin persönlich.

1970 wurde das Haus weitgehend abgerissen und so errichtet, wie es sich heute schmuckvoll darstellt. Als zwei Jahre später noch ein Speisesaal angebaut wurde, kamen die Gäste in Scharen. „Das höchste waren einmal 806 Essen An einem Tag.“

Aber das Leben der Seniorwirtin blieb auch nicht ohne Schicksalsschläge. 2009 starb ihr Gatte Franz, er brach im vollen Gastzimmer tot zusammen. 2022 verstarb Christine 55jährig (eine von drei Töchtern) nach kurzer schwerer Krankheit, die 2000 das Haus zusammen mit ihrem Gatten Matthias Radauer übernommen hatte. Maria Habring hat auch diese schweren Schläge verkraftet, sitzt täglich in der Küche, putzt Fleisch, formt Knödel, schneidet Gemüse und Obst und richtet so manch prüfenden Blick auf das, was an den Herden passiert. Dorthin, wo sie einst als Doyenne regionaler Verköstigungskunst selbst den Kochlöffel schwang.

Norbert Blaichinger

Veröffentlicht am 27.09.2022